OLG HammEbenso wie schon das Kammergericht Berlin hat nun auch das OLG Hamm entschieden, dass die Verwendung des amtlichen Musters für die Widerrufsbelehrung zur vorvertraglichen Information nach § 312c Abs. 1 BGB iVm § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV wettbewerbswidrig ist. Der Satz “Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” sei irreführend, weil erst die Textform-Belehrung und nicht schon die flüchtige Information auf der Internetseite den Fristlauf auslöse (OLG Hamm, Beschluss vom 15.3.2007, AZ: 4 W 1/07). Der monierte Satz (“frühestens mit Erhalt dieser Belehrung”) ist laut Google String-Suche auf ca. 1,5 Mio Websites enthalten, z.B. auch in den AGB von Otto oder Neckermann.

Bemerkenswert ist, dass das OLG Hamm mit keinem Wort § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV erwähnt, der die – bekanntermaßen fehlerhafte – amtliche Musterbelehrung auch bei Einsatz zur vorvertraglichen Information privilegiert. Hierin heißt es:

“Zur Erfüllung seiner Informationspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 über das Bestehen des Widerrufs- oder Rückgaberechts kann der Unternehmer das in § 14 für die Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht bestimmte Muster verwenden.”

Manche Anwälte schreiben nun, man solle den Text zum Widerrufsrecht vorher (auf der Internetseite) korrigieren (z.B. “Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung.”) und zur Belehrung in Textform das amtliche Muster verwenden.

Zwei verschiedene Texte zur vorvertraglichen Information einerseits und zur Textformbelehrung andererseits sind aber weder praktikabel noch für den Verbraucher transparent. Insbesondere ist die Belehrung oft in AGB enthalten, was nach § 1 Abs. 4 S. 3 BGB-InfoV auch ausdrücklich möglich und bei Vereinbarung einer 40-EUR-Klausel oder Ersetzung durch ein Rückgaberecht erforderlich ist. Denn dies sind keine bloßen Informationen, sondern Vertragsbestimmungen. Der Verbraucher muss aber auf der Internetseite die gleichen AGB sehen wie hinterher in Textform.

Verschiedene Informationen vorher und nachher würden gut funktionieren, wenn (wie vor dem 8.12.2004) im Vorfeld nur über das Bestehen und nicht schon die Einzelheiten des Widerrufsrechts informiert werden müsste. Dann hieße es auf der Internetseite nur “Sie haben ein zweiwöchiges Widerrufsrecht”, und die Belehrung könnte man in der E-Mail oder auf dem Lieferschein platzieren.

So läuft der Beschluss des Gerichts jedoch darauf hinaus, dass das amtliche Muster im Internethandel gar nicht mehr verwendet werden kann, zumindest nicht, so lange es nicht korrigiert ist. Das Muster wäre demnach nur noch für den Katalogversandhandel oder Finanzdienstleistungen geeignet. Es ist schon absurd, wozu das “einheitliche Verbraucherschutzrecht” nun führt. Immerhin hat die FDP die Korrektur des Musters beantragt, so dass die vielleicht künftig wieder rechtssicher eingesetzt werden kann.

Ein “korrigierter” Satz zum Fristbeginn, der sowohl zum Einsatz auf der Internetseite als auch in Textform (E-Mail, Lieferschein) geeignet ist, könnte so aussehen:

“Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung in Textform.”

Mangels gesetzlicher Privilegierung könnten Abmahner hier jedoch beanstanden, dass nicht auf die weiteren Voraussetzungen des Fristlaufs (Erfüllung aller Pflichten im Fernabsatz und E-Commerce) hingewiesen wird und die Frist nach § 187 Abs. 1 BGB erst am “Tag nach Erhalt der Ware” beginnt. Würde man dies allerdings alles in der Widerrufsbelehrung darstellen, würde der Text 5 Seiten lang und von niemandem mehr verstanden werden. Genau das war im Jahr 2002 Ausgangspunkt für die Erstellung des amtlichen Musters. Man war sich durchaus bewusst, dass einige Dinge verkürzt dargestellt werden, nahm dies aber in Kauf. Dass nun die Gerichte reihenweise das Muster kassieren, ahnte damals niemand.

Eben weil dieses Restrisiko bei (jeder) selbst erstellten Belehrung verbleibt, ist ein amtliches Muster m.E. immer noch der beste Weg. Das Problem ist ja vor allem, dass jedes Amtsgericht in Pusemuckel seine eigene Meinung haben kann, wenn es angerufen wird, was angesichts des “fliegenden Gerichtsstandes” möglich ist. Hier hat das Muster des Vorteil, das es bundesweit gültig ist.

Angreifbar ist z.B. auch die Widerrufsbelehrung im Shop des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), die lautet:

“Die Frist beginnt, wenn Ihnen diese Belehrung in Textform mitgeteilt worden ist und die Warenlieferung bei Ihnen eingegangen ist.”

Hier fehlt das “frühestens”, das auf die weiteren Voraussetzungen (Pflichten im Fernabsatz und E-Commerce) deutet. Der Verbraucher könnte meinen, die Frist beginne schon zu laufen, obwohl er z.B. keine Information über Versandkosten, Lieferzeiten oder die Speicherung des Vertragstextes erhalten hat.

Die nächste Abmahnwelle wird kommen. Wieder mal eine tolle Einnahmequelle für Harz4-Juristen, die auf den Zug aufspringen. Als wenn wir alle nichts besseres zu tun hätten…

Viele Grüße

Carsten Föhlisch

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