Die kreative Imitation ist eine erfolgversprechende Optimierungsstrategie. Nicht wenige Online-Händler orientieren sich an den Amazons und Ottos dieser Welt, um ihren Shop erfolgreicher zu gestalten. Eine Entscheidung mit Risikofaktor, meint Usability-Experte Johannes Altmann.
Warum Amazon nicht als Vorbild taugt, lesen Sie hier.
„Aber Amazon macht das auch so” ist eines der häufigsten Argumente, wenn man über Features, Usability und Layout im Shop diskutiert. Klar: Amazon ist richtig erfolgreich und die haben auch ziemlich viel richtig gemacht. Trotzdem dient Amazon nicht unbedingt als Patentrezept und Nachahmungsobjekt für Online-Shops. Meine Theorien warum man Amazon nicht kopieren sollte:
Ein User geht typischerweise in einen Shop, versucht eine Kaufentscheidung zu treffen und bestellt anschließend. Amazonkunden gehen zu Amazon, um ein Produkt zu kaufen. Die Kaufentscheidung haben sie längst getroffen, das richtige Produkt steht bereits fest. Amazon ist letztendlich nur noch die praktische, einfache Plattform, um eine Bestellung aufzugeben.
Bei Amazon funktioniert die Zahlung, die Lieferung und auch die Retoure und Amazon hat jedes Produkt – deshalb ist Amazon der Shop in dem man bestellt. Amazon ist eher ein Logistiker als ein Shop.
Amazon selbst ist die Verfügbarkeit und die schnelle Lieferung viel wichtiger als schöne Produktabbildungen und ausführliche Beschreibungen. Die Produktdetailseite bei Amazon sieht schrecklich aus. Alles durcheinander, zu viele Störfeuer, zu viel Cross Promotion. Bei Amazon weiß man ja eh, dass ein Kunden entweder sofort nach Auffinden des Produkts bestellt oder nie. Scrollt der User etwas nach unten ist die Conversion schon vorbei, dann versucht man ihn wenigstens mit anderen Produkten noch zu inspirieren.
Ein „echter” Shop würde versuchen eine klar strukturierte Detailseite zu entwickeln, möglichst vorwärtsorientiert den User zu führen und Ablenkungen zu minimieren.
Amazon hat’s an vielen Stellen einfacher. Die Frequenz der User ist extrem hoch. Wie häufig sind Sie bei Amazon? Sie kennen jede Funktion und kennen sich richtig gut im Shop aus. Diese ist die Usability Regel Nummer 1: Ein Shop muss leicht verständlich und leicht erlernbar sein. Natürlich ist der gelernte Amazon angenehmer und leicht zu bedienen als ein neues, völlig unbekanntes Shopssystem.
Daher: Amazon ist ein guter Shop – wer Amazon kopiert läuft allerdings Gefahr auf’s falsche Pferd zu setzen. Amazon ist anders, User bei Amazon sind anders und daher dient Amazon lediglich als Inspiration für den eigenen Online-Shop.
Über den Autor
Johannes Altmann ist Gründer und Geschäftsführer der e-Commerce-Beratung Shoplupe GmbH. Altmann ist Spezialist für die Optimierung von Online-Shops hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit. Durch innovativen Usability Services und Mystery Shopping durch verdeckte Testkäufer garantiert Shoplupe eine konsequente Qualitätssicherung sowohl für kleine Online-Shops als auch große Versandhändler.
Interessanter Ansatz, dem ich nur voll und ganz zustimmen kann.
Wenn ich bei Amazon bestelle weiß ich schon was ich kaufen will. Bei amazon weiß ich, dass ich das Produkt am nächsten Tag habe und auch jederzeit zurückschicken kann.
Und genau das könnte ggf. der Angriffspunkt für große Konkurrenten bei Amazon ein. Amazon funktioniert einfach nur, technisch sehr gut. Optisch eine Katastrophe. Shoppingerlebnis = 0.
Ich bin gespannt, wie sich Amazon und die Konkurrenz in 10 Jahren entwickelt hat.
Die Argumentation ist meiner Meinung nach deutlich zu kurz gehalten:
Aus ästhetischen Aspekten heraus ist amazon sicherlich KEIN Highlight. Aber betrachtet man die Funktionen, dann ist die Website auch aus Usability-Gesichtspunkten heraus erstklassig:
Gerade die Produktdetailseite wartet mit einem Mehrwert auf, den sonst kein anderer Shop bietet:
– Produktfotos in X Varianten
– Tlw. Produktvideos
– Herstellerdaten
– Klappentexte
– Amazan.de Redaktion Empfehlung
– tlw. Video-Reviews
– User generated Content
– Tagging
– Ausgereifte, interne Verlinkung
…
Von der Größe des Sortiments, dem Pricing usw. brauchen wir ja gar nicht reden.
Alles in allem hat es amazon geschafft fast jedem User die gewünschte Information zu liefern und genau DESWEGEN kauft man zu 100% bei amazon, weil man weiß – wenn die Fragen nicht dort beantwortet werden, dann nirgendwo.. Nur deshalb hat es amazon geschafft und rennt allen weiter davon.
Richtig ist, dass man dieses Konzept nicht ohne weiteres auf fremde Shops übertragen kann, das liegt aber nicht daran, dass evtl. die Funktionen bei amazon schlecht aufbereitet sind, sondern dass fremde Shops meistens nicht einmal ansatzweise das Sortiment, das Fulfillment, das Pricing, die Menge an User generated Content, die hervorragende, interne Verlinkung usw. bereitstellen kann..
amazon war auch mal klein und hat durch deren Leistung auch im Shop überzeugt, sonst wären die wohl NIE so gewachsen?! Das amazon als schlechtes Vorbild taugt, das ist für mich ein schlechter Witz…
Amazons Wachstum ist natürlich auch eine Entwicklung des Glaubens und der Durchhaltekraft. Wenn man sich anschaut, dass Amazon in den ersten 3 Jahren kum. einen Verlust von über 2 Mrd. $ erwirtschaftet, ist das natürlich schon ein unglaubliches Festhalten und Glauben an das Unternehmen. Das sich nun natürlich auch auszahlt.
Ich denke ähnlich wie Markus, dass die Technologie einfach top funktioniert. Trotzdem leider darunter die Usability und das Shoppingerlebnis.
Entweder ich will etwas haben, suche es bei Amazon und bestelle es oder ich stöbere erst einmal woanders. Der einzige Kritikpunkt, den man bei Amazon haben “könnte”, wäre das fehlende Shoppingerlebnis in einem grafisch ansprechenden Umfeld.
Ich stimme Markus im Wesentlichen zu.
Ich habe bei Amazon durchaus schon gekauft, nicht weil ich schon wusste, was ich wollte, sondern weil ich genau das noch NICHT wusste. Es ist sogar schon passiert, dass ich mich bei Amazon informiert und dann doch woanders gekauft habe.
Ich finde das ewige Gerede über Einkaufserlebnis ect. maßlos übertrieben. ICH kann mich bei Amazon problemlos über alle Aspekte, die für meine Kaufentscheidung wichtig sind informieren, der Shop und die Führung durch den Kaufvorgang funktionieren hervorragend. Für Vielkäufer gibt es ausgesprochen nützliche zusätzliche Möglichkeiten. Die Abwicklung funktionert problemlos. Für Amazon würde ein Aufpimpen des grafischen Erscheinungsbildes mit Sicherheit mehr Nach- als Vortiele bringen. Mich machen grafisch aufwändig gestaltete Shops eher nachdenklich, weil mir Zweifel kommen, ob die Kernkompetenz des Anbieters mit der Gestaltung des Shops mithalten kann.
“Scrollt der User etwas nach unten ist die Conversion schon vorbei” DAS wage ich ganz stark zu bezweifeln und hätte doch gern mal eine Quelle für diese Behauptung gesehen.
Vielleicht bin ich nicht der typische Web-Shopper, aber ich mag es am liebsten einfach und praktisch, und da können sich insbesondere die großen Anbieter allesamt eine Scheibe an Amazon abschneiden.
Im übrigen habe ich schon länger das Gefühl, dass sich die Designer für wichtiger halten, als sie sind. Den Content können sie nämlich auf keinen Fall ersetzen.
Es ist ja schön und gut über das subjektive Empfinden zur Gestaltung von Amazon zu diskutieren. Ich bin mir jedoch sehr sicher, dass Amazon genau so aussieht, weil dieser Aufbau für Amazon die meisten Sales generiert! Amazon ist ein Meister des Splittestings. Alles wird getestet. Andauernd wird getestet. Und so findet Amazon (auf Basis objektiver Daten statt subjektiver Meinungen!) immer feiner heraus, wie welche Besucher sich verhalten und wie die Bereiche der Website aussehen müssen, damit möglichst gut verkauft wird.
Abgesehen davon, dass ich meinen kritischen Vorrednern zustimme findet sich für mich noche in Widerspruch im Artikel:
Argument 1:
Amazon hat schlechte Artikelseiten, weshalb es nicht als Vorbild für andere Shops dienen sollte.
Argument 2:
Amazon-Nutzer haben kein Problem mit der Seite, weil sie alle Funktionen sehr genau kennen.
Amazon hat eine Reichweite von ca. 35 % im Monat und ist damit die Nummer 4 in Deutschland. Das bedeutet, dass sehr sehr viele Nutzer die Seite gut kennen – warum sollte dann ein Klon schlecht funktionieren?