Es war zu erwarten, dass die Abmahnanwälte sich auf das Thema stürzen werden: Die Plattform zur außergerichtlichen Streitbeilegung war noch nicht einmal online, da erwirkte einer von denen bereits eine einstweilige Verfügung vor dem LG Bochum, weil ein Online-Händler nicht den Link auf diese – noch nicht existente – Plattform bereitgestellt hatte.
Update: Gericht bestätigt die Entscheidung!
Das LG Bochum (Beschl. v. 9.2.2016, I-14 O 21/16) hat einem Online-Händler untersagt, im Internet Uhren anzubieten, ohne dem Verbraucher Informationen über die OS-Plattform zur Verfügung zu stellen, insbesondere an leicht zugänglicher Stelle den Link http://ec.europa.eu/consumers/odr zur Verfügung zu stellen.
Wir haben die Entscheidung bei Gericht angefordert, um mehr über die Hintergründe zu erfahren. Das Gericht hat die Entscheidung mittlerweile in der NRW-Rechtsprechungsdatenbank veröffentlicht. Da der Beschluss keine Begründung enthält, kann nicht festgestellt werden, ob sich das Gericht mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung inhaltlich überhaupt beschäftigt hat.
Update: LG Bochum bestätigt einstweilige Verfügung
Der Beklagte legte gegen die einstweilige Verfügung des LG Bochum Widerspruch ein. Den Widerspruch wies das Gericht aber zurück und bestätigte die einstweilige Verfügung, LG Bochum, Urt. v. 31.03.2016, 14 O 21/16:
“Am 09.01.2016 ist eine EU-Verordnung Nr. 524/2013 in Kraft getreten, die die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten mit Onlinehändlern regelt.
Seit diesem Zeitpunkt besteht daher gemäß dieser Verordnung die Pflicht, Informationen über diese OS-Plattform zur Verfügung zu stellen und einen für den Verbraucher leicht zugänglichen Link vorzuhalten.
Unstreitig hat der Verfügungsbeklagte als ein in der EU ansässiger Onlinehändler diese Pflichten nicht erfüllt, so dass ein Verstoß gegen § 3 a UWG i V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 524/2013 gegeben ist.
Die Einwände des Verfügungsbeklagten dagegen sind unerheblich. Weder die Tatsache, dass am 09.01.2016 die Plattform noch nicht zur Verfügung stand, sondern erst am 15.02.2016, also erst sechs Tage nach Erlass der einstweiligen Verfügung, noch der Umstand, dass die nunmehr zur Verfügung stehende OS-Plattform eine Streitbeilegung in Deutschland noch nicht ermöglicht, erlassen dem Verfügungsbeklagten die Pflicht der entsprechenden Informationserteilung sowie der Gestellung eines entsprechenden Links.
Denn die Einschaltung der Streitbeilegungsstelle wird nicht bei Vertragsschluss Relevanz entfalten, sondern erst zu einem späteren Streitpunkt, wenn eine Streitigkeit entsteht.
Deshalb hat die Kammer auch in Kenntnis des Umstands, dass die OS-Plattform erst sechs Tage später zur Verfügung gestellt werden sollte, die entsprechende Verpflichtung des Verfügungsbeklagten bereits am 09.02.2016 bei Erlass der einstweiligen Verfügung bejaht.
Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist die Information über die OS-Plattform zu erteilen und ein Link gemäß der Verordnung einzurichten.
Denn selbst wenn heute in Deutschland noch keine Streitbeilegung stattfindet, so steht damit nicht fest, dass bei später entstehenden Streitigkeiten aufgrund bis heute abgeschlossener Verträge diese Plattform in Deutschland immer noch nicht zur Verfügung steht.
Von daher muss diese Information jetzt erteilt werden, damit der Verbraucher sie in einem späteren Zeitpunkt nutzten kann.
Denn eine Streitigkeit muss nicht kurzfristig nach Vertragsschluss entstehen, sie kann auch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt zumindest innerhalb der Gewährleistungsfrist auftreten. Von daher ist das Fehlen der Information und des Links auch eine spürbare Beeinträchtigung des Verbrauchers im Sinne des § 3 a UWG.”
Geht das Gericht davon aus, dass ein Verbraucher, der sich auf der Website des Beklagten befand, den Link auswendig lernen und merken wird, damit er ihn evtl. zu einem späteren Zeitpunkt kennt?
Plattform war noch nicht online
Wenn sich das aber so bestätigt, hat hier ein Gericht wohl völlig blind entschieden. Denn: Am 9. Februar war die Plattform noch nicht einmal online, der Hinweis auf den Link also völlig nutzlos.
Derjenige, der das in dem Verfahren abgemahnt hat, muss sich schon allein aus diesem Grund den Vorwurf des Rechtsmissbrauches gefallen lassen. Diesem Abmahner kann es gar nicht um fairen Wettbewerb gegangen sein.
Noch keine deutschen Schlichtungsstellen
Es gab zu dem Zeitpunkt auch noch keine deutschen Schlichtungsstellen im Sinne des Gesetzes, weil es noch nicht in Kraft getreten war, sodass auch deswegen die Plattform noch gar nicht weiterhalf.
Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, mit dem erst die Rechtsgrundlage für die Schlichtungsstellen geschaffen wird, wurde am 25. Februar 2016 erst im Bundesgesetzblatt verkündet und ist in seinen wesentlichen Teilen erst zum 1. April 2016 in Kraft getreten. Seit dem gibt es auch erst eine deutsche Schlichtungsstelle.
Gegen Abmahnung wehren!
“Wer sich wehrt, gewinnt!” – das hat die Abmahnstudie von Trusted Shops ergeben. Reagieren Sie, wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben – und zwar richtig. Nehmen Sie Abmahnungen immer ernst und lassen Sie sich beraten, z.B. mit unseren Abmahnschutzpaketen.
Am besten ist es, mit rechtssicheren Texten im Online-Shop dafür zu sorgen, dass gar keine Punkte erst angegriffen werden können.
Fazit
Das LG Bochum hat seine einstweilige Verfügung bestätigt. Es bleibt abzuwarten, ob das OLG Hamm in dieser Sache ebenfalls noch entscheiden wird. Ich halte das Urteil des LG Bochum für falsch und die Begründung für nicht nachvollziehbar. (mr)
[hubspotform whitepaper=”true” title=”Kostenloses Whitepaper – Streitschlichtung: Neue Infopflichten ab 1. Februar 2017″ image_path=”” image_text=”Seien Sie gut vorbereitet auf den 1. Februar 2017, wenn Sie darüber informieren müssen, ob Sie bereit oder verpflichtet sind, an außergerichtlicher Streitbeilegung teilzunehmen. In unserem Whitepaper haben wir nochmals alle Informationen zusammengefasst und Sie erhalten kostenlose Muster zum Einsatz in Ihrem Shop.” copy_text=”” portal_id=”603347″ form_id=”1cb2bb7e-616a-4db8-b390-0bc158d9902a” css=””]
Bildnachweis: Piotr Adamowicz/shutterstock.com
Krass oder? Bis in Deutschland entsprechende Schlichtungsstellen etabliert sind, haben deutsche Händler – außer zusätzlichem Aufwand – nichts von dem Portal. Ob sich das ändert, sobald Schlichtungsstellen auch in Deutschland verfügbar sind, wird sich zeigen. Unternehmer sind derzeit nicht verpflichtet, sich bei Streitigkeiten mit Verbrauchern überhaupt auf Schlichtungen einzulassen. Da sie die Kosten dieses Verfahrens tragen müssten – und zwar unabhängig vom Ausgang – könnte ein Gerichtsprozess durchaus wirtschaftlicher sein. Zudem ist der Schlichterspruch nicht bindend. Ein Gang vors Gericht ist dadurch also nicht ausgeschlossen. Konsequenz wären weitere Kosten.
Wir dürfen weiter gespannt sein…
Nadine Brokmann – Content Manager bei versacommerce.de
Hallo,
eigentlich sollte es eine Karenzzeit geben, damit gerade solche “schwarzen Schafe” nichts verdienen können.
Davon mal abgesehen, wenn jetzt ein Händler nirgendwo unter Vertrag steht, woher soll er dann über alle(!) Rechte und Vorschriften informiert sein? Klar, eine Person einstellen, die sich nur darum kümmert oder Verträge abschließen, was aber nicht alle machen.
Sinnvoller wäre es doch, wenn es eine(!) Zentrale Anlaufstelle gibt (z.B. EU, Staat oder IHK o.ä.), bei der sich eh jeder Händler registrieren muß und die dann auch gleich einen informieren oder am besten gleich alles bereitstellen, sodaß wir Händler nur noch auf eine einzige Seite für Alle(s) verlinken – wäre doch dann viel einfacher und jeder Händler wäre mit nur einem Link vollständig abgesichert.
Ich warte nur auf die nächste Abmahnwelle, wenn man zwar einen Link setzen muß, aber sich nicht dran beteiligen muß. 😉
Naja, es bleibt spannend und erhält Arbeitsplätze.
Grüße,
Nils
Normalerweise müsste jedes Gericht in so einem Falle sofort von Rechtsmissbrauch ausgehen, eindeutiger geht schon garnicht mehr! Es ist und bleibt ein krankes Abzocksystem mit der Abmahnerei!
Hallo Leute,
wir werden es erst gar nicht dazu kommen lassen das ein Kunde sich an eine solche für mich vollkommen unnütze Schiedstelle wenden muss. Immer frei nach dem Leitspruch: “Der Kunde ist König, er hat immer Recht!”. Stellt man den Kunden zufrieden, hat man den Ärger erst gar nicht und muss sich mit dem Kram nicht quälen.
Grüße,
Alex
Übrigens euer Link: http://ec.europe.eu/consumers/odr ist verkehrt! 😉
@Alex
Danke für den Hinweis, da war ein Schreibfehler. Statt “europe” muss es “europa” in dem Link heißen. Ich habe das im Text oben bereits korrigiert.
Die einfachste Lösung gegen diese miesen Abzocker wäre, wenn:
(1) Jede Abmehnung ausschließlich von einem benachteiligten Unternehmen kommen darf und nicht mehr von Anwälten, die unternehmerisch gar incht betroffen sind
(2) Die Kosten der ERSTEN Abmahnung IMMER von dem Unternehmen zu tragen sind, dass sich benachteiligt fühlt und dem Abgemahnten 4 Wochen Zeit eingeräumt wird, um den abgemahnten Umstand zu ändern bzw. zu klären. Erst ab der Folge-Abmahnung (zum gleichen Sachverhalt) dürfen dann Kosten vom Abgemahnten erhoben werden.
So hätte der ganze Unsinn ein Ende.
Wenn der Gesetzgeber solche Praktiken möglich macht, dann muss eben der Verstand bei den Richtern einsetzen. Es ist eine regelrechte Sauerei, wie die Gerichte die “Abmahnanwälte” noch unterstützen. Aber wirklich wundern tut es mich nicht.
Gruß,
Holger Casselmann
Warum sind wir eigentlich nicht in der Lage gegen so etwas vor zu gehen.
Haben wir online Händler so eine schlechte Lobby?
Gruß Alois
Wenn der Bruder eines Politikers Autobahnschilder herstellt, dann muss man eben die A2 nicht mehr in Berlin sondern in Oberhausen anfangen lassen und schon braucht man rund 1500 neue Kilometerschilder. Und solange Politiker Juristen sind, waren oder kennen, wird in Deutschland die Goldquelle des Abmahnsystems fließen müssen. Weil die ja mit ihrem kleinen Einkommen sonst nicht über die Runden kommen. Alles für den Verbraucher? Fragen Sie doch mal einen Verbraucher, ob der diese Schlichtungsstelle kennt und welcher Verbraucher findet denn in den AGB einen einzelnen, juristisch falschen Begriff? Betreibt aber jemand tatsächlich mal einen betrügerischen Online-Handel, dann ist unser Staat dazu verdammt, diesem Treiben über 6 Monate hinweg hilflos zusehen zu müssen und sich so zum Mittäter zu machen.
Interessanter Prozess. Halte und auf dem Laufenden!
Zitat: “Denn die Einschaltung der Streitbeilegungsstelle wird nicht bei Vertragsschluss Relevanz entfalten, sondern erst zu einem späteren Streitpunkt, wenn eine Streitigkeit entsteht.” – was ist daraun unlauter?
Hallo
zum glück hatte ich durch die HP davon schon gehört und den links gesetzt.
Gruß Silvio