amazonMit Urteil vom 17.01.2008 (Az. 29 U 3193/07) wurde dem Online-Versandhändler Amazon auch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München untersagt, die Gültigkeitsdauer von Geschenkgutscheinen auf ein Jahr zu befristen, da dies nach Ansicht des Gerichts eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers darstelle. Das OLG München bestätigte damit eine entsprechende Entscheidung des LG München (Urt. v. 05.04.2007, Az. 12 O 22084/06) und wies die Berufung von Amazon gegen das Urteil zurück.

Lesen Sie hier, warum das Versandhaus auch in zweiter Instanz unterlag.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg forderte Amazon bereits im Jahr 2006 in einer Abmahnung auf, die Verwendung von AGB-Klauseln zu unterlassen, durch die Geschenkgutscheine in ihrer Gültigkeit auf ein Jahr befristet werden. Entsprechende Regelungen seien rechtswidrig, weil sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Die AGB des Versandhändlers enthielten folgende Klauseln:

  • „Gutscheine sind generell ein Jahr ab Ausstellungsdatum gültig.
  • Restguthaben werden bis zum Verfallsdatum des Gutscheins ihrem Geschenkgutscheinkonto gutgeschrieben. Danach können sie nicht mehr verwendet werden. … .”

Da Amazon der Unterlassungsaufforderung jedoch nicht nachkam, klagte die Verbraucherzentrale erfolgreich vor dem LG München. Das Landgericht gab der Klage statt, denn es sah in der Gültigkeitsbefristung eine Abweichung von den Grundregelungen des bürgerlichen Rechts für Schuldverträge, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führe. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung Amazons wies das OLG München nun zurück und bestätigte die Auffassung des Landgerichts:

„Die angegriffenen Klauseln sind unwirksam, weil sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. (…)

Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.”

Für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen kennt das bürgerliche Recht im Allgemeinen nur die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB und auch für Ansprüche aus Geschenkgutscheinen ist keine von diesen Vorschriften abweichende, gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der Gutscheine auf ein Jahr stellt demnach eine Abweichung von der gesetzlichen Verjährungsfrist für derartige Ansprüche dar, die regelmäßig drei Jahre beträgt.

Diese Abweichung greife nach Ansicht des Gerichts erheblich in das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ein, da hier die Haltbarkeit des Wertes einer Gegenleistung, die ein Vertragspartner auf Grund der eigenen Vorleistung verlangen kann, über die Verjährungsregeln hinaus beschränkt würde. Der Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis gehe dabei so weit, dass er als unangemessene Benachteiligung des Gutscheininhabers angesehen werden muss.

Unerheblich sei hierbei, dass die Gutscheine regelmäßig als Geschenke an Dritte weitergegeben werden, die ihrerseits nicht Vertragspartner von Amazon sind. Vom Schutz des § 307 Abs.1 BGB seien auch die Interessen solcher Dritter einbezogen, die Rechte aus dem Vertrag herleiten können oder durch diesen unmittelbar berechtigt sind:

„Im Streitfall ist die Weitergabe der Gutscheine (…) eine vertragsgemäße Verwendung, nach der dem Gutscheininhaber gegen die Beklagte ein Anspruch auf Lieferung der von ihm gewählten Ware mit einem den Gutscheinwert nicht übersteigenden Kaufpreis zusteht.”

Das OLG wies in seiner Entscheidung allerdings auch darauf hin, dass nicht jede zeitliche Befristung der Gültigkeitsdauer von Berechtigungskarten und Gutscheinen als unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden kann. So seien solche Ausschlussfristen, obwohl vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und nach Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Vertragsparteien häufig nicht als unangemessen anzusehen.

Da der Gesetzgeber jedoch bereits durch Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von vorher dreißig auf nunmehr drei Jahre im Zuge der Schuldrechtsreform den Interessen von Schuldnern entgegenkam, hätten sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB-Klauseln, die eine kürzere als die regelmäßige gesetzliche Verjährungsfrist für die Durchsetzung von Ansprüchen vorsehen, erhöht.

Der von Amazon hierzu vorgebrachte zusätzliche Buchführungs- und Bilanzierungsaufwand stelle hingegen kein anerkennenswertes höherrangiges oder zumindest gleichwertiges Interesse dar, dem Gutscheininhaber den Wert des Gutscheins ersatzlos vor Ablauf der gesetzlichen Regelverjährung zu entziehen:

„Auch bei nur einjähriger Gültigkeit der Gutscheine müssen die jeweils noch offenen Gutscheinwerte in Konten geführt und am Ende des Geschäftsjahrs bilanziert werden. (…) Eine Rechtfertigung dafür, dem Inhaber eines Gutscheins den unter Umständen erheblichen damit verbundenen Wert ersatzlos zu entziehen, kann in dem zusätzlichen Buchführungs- und Bilanzierungsaufwand jedenfalls nicht gesehen werden.”

Die Gültigkeitsbefristung von Geschenkgutscheinen auf einen Zeitraum, der kürzer als die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren ist, dürfte daher nur in Ausnahmefällen, also wenn berechtigte Interessen eine Beschneidung der gesetzlichen Regelungen rechtfertigen, zulässig sein. Online-Händler, die solche Gutscheine anbieten, sollten demnach entweder auf entsprechende Einschränkungen gegenüber Verbrauchern in ihren AGB verzichten oder sich hierzu durch einen Fachanwalt umfassend beraten lassen. (cf/Lars Klatte)

image_pdfPDFimage_printDrucken